Neue Wege können steinig sein
Die traditionellen Seefelder Tourismusgespräche boten Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer Prodinger Tourismusberatung, die Gelegenheit, im Rahmen seiner Keynote die unterschiedlichen Akzente in der heimischen Hotellerie zu beleuchten.
In keiner Diskussion darf heute die Mitarbeiterproblematik unerwähnt bleiben – und so Griff Reisenzahn auch eine Wortmeldung von Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler auf: „An der Demografie können wir nichts ändern, aber an allen anderen Feldern: So arbeitet die Hotellerie an den saisonalen Schranken“, verwies er auf die wachsende Zahl an Ganzjahresbetrieben. Das Hauptproblem sei jedoch die enorme Fluktuation in der Branche, überdies korreliere die ständig wachsende Zahl an Hotelkräften mit dem Zuwachs der 4- und 5-Stern-Hotellerie, brachte doch der Juli 2022 einen neuerlichen Höchststand bei den unselbständig Beschäftigten in Beherbergung und Hotellerie (245.265). Die Zahl der Mitarbeiter pro Übernachtung ist somit innerhalb eines Jahrzehnts um 14% gestiegen. Innerhalb der 4*/5*-Hotellerie war der Zuwachs mit 12% ähnlich hoch.
Wenn die Veranstaltung in Seefeld unter dem Titel „Neue Wege gehen“ stand, dann bleiben diese neuen Wege keineswegs auf die Mitarbeiterfrage beschränkt. Reisenzahn stellte in seinem Vortrag die Betriebe in den Mittelpunkt, deren Wege schon länger von Erfolg gekrönt sind. Als wichtigste Qualität erfolgreicher Hoteliers zeige sich die besondere Leidenschaft. Diese Gastgeber hinterfragen: Was ist mein Motor? „Es sind Unternehmerinnen und Unternehmern mit Ecken und Kanten, die Mitarbeitern aber partnerschaftlich gegenüber treten .“ Aus der Beratertätigkeit ist erkennbar, dass Betriebe nicht nur wegen ihres Produkts topp sind, sondern nicht minder wegen der dahinter liegenden Struktur und ihrer Mitarbeiter-Effizienz. Insgesamt erfüllen die führenden Betriebe auf mehreren Ebenen eine Vorreiterrolle. In diesen Betrieben werde offen kommuniziert. Die Distribution erfolgt in den führenden Betrieben mit einem hohen Anteil an Direktvertrieb und professionellem Revenue-Management. „Insgesamt gibt es wenig Outsourcing, dadurch eine hohe Produkttiefe und damit ein authentisches Angebot“, fasste Reisenzahn zusammen.
Wer Qualität bieten will, für den können Benchmarks kein Feindbild sein, sondern erwünschte Hilfe, um im Betrieb Schwachpunkte rasch zu beseitigen. Vor diesem Hintergrund hatte Prodinger mit den Bilanzdaten 2019 die wichtigsten Wirtschaftsdaten von 16 führenden Hotels – von Hochschober über Stanglwirt bis Dachsteinkönig – verglichen. Der durchschnittliche Umsatz liegt in diesen Betrieben bei 17,768 Millionen Euro. Spannender sind in der aktuellen Situation die durchschnittlichen Mitarbeiterkosten. Sie liegen bei 37.000 Euro pro Jahr lagen. Wobei die Bandbreite von 43.000 Euro im Schlosshotel Fiss bis 30.000 im Alpenresort Schwarz doch recht beachtlich ist. Vielleicht noch erstaunlicher ist die höchst unterschiedliche Personalausstattung dieser doch vergleichbaren Großhotels. So findet der Kitzhof mit 0,6 Mitarbeitern pro Zimmer das Auslangen, während es im Alpenresort Schwarz 2,1 sind. Natürlich spielt dabei der Umfang von Wellness-, Gastronomie- und Sportinfrastrukturen eine besondere Rolle. Was aber unterm Strich bleibt, das zeigt schlussendlich der GOP. Dessen Durchschnitt liegt bei 28% vom Umsatz, wobei Kitzhof, Almwellness Pierer und Steirerhof mit bis zu 36% die höchsten Werte erreichten.
Erfolg ist kein Zufall
„Erfolg ist kein Zufall“, betonte Reisenzahn. Deshalb sollte jeder Betrieb stets nicht nur hinterfragen, wo seine persönliche Leidenschaft liegt, sondern in welchem Bereich man sich von den Mitbewerbern unterscheide. Klare Positionierung, Profilierung und Markenstrategie – gegenüber Gästen und Mitarbeitern (!) – gehören ebenso dazu, wie Kundennähe und Sichtbarkeit des Gastgebers, Produkttiefe im Hotel und authentische Erfahrungen für den Gast.
Hinter all den führenden Hotels im Lande stehen „Macher“, die Worte in Taten umsetzen können – und die von der Ambition getrieben sind, auf ihrem Gebiet die Besten zu sein. Neben diesen eher aus der Persönlichkeit wachsenden Eigenschaften gelte es für die Hoteliers den Blick nach Außen zu wahren, auch um sich auf Entwicklungen am Gästemarkt einstellen zu können. Auffällig sei eine durchaus patriarchalische Strategie, die mit teamorientieren operativem Verhalten gegenüber den Mitarbeitern kombiniert wird. . Diesen müsse dabei neben einem wettbewerbsfähigen Einkommen und attraktiven Arbeitszeitmodellen vor allem Wertschätzung entgegengebracht werden. Doch alles klappe nur, wenn die Mitarbeiter den Job als sinnstiftend verstehen.
Im Außenauftritt verkaufen sich erfolgreiche Betriebe als eigenständige Destination, sorgen für Direktvertrieb und Preishoheit, bevorzugt mit Revenue Management, nutzen Multichannel- und Content-Strategien und konzentrieren sich in einem eigenständigen Marketing auf eine fein segmentierte Zielgruppenansprache.
Nicht immer ist es aber einfach, die neuen Wege zu gehen. Manchmal werden gerade auf diese Stolpersteine gerollt. So beklagt der Prodinger-Gescdhäftsführer in Sachen Investitionsbereitschaft unnötige Hürden für Investoren. „Sowohl im Tiroler Unterland als auch im Oberland kennen wir bestehende Betriebe, die sich neu positionieren wollen. Bei baulichen Maßnahmen bläst ihnen aber heftiger Gegenwind ins Gesicht. Und dass bei uns Chalets als Feindbilder dienen, selbst wo sie nur eine Qualitätsverbesserung darstellen, freut die Schweiz – ebenso wie unsere Lockdowns 2021. Weil dort stieg die Nachfrage.“
Wollen auch Sie neue Wege gehen?
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ESG als Kriterium der Zukunft
Betriebe auf neuen Wegen beschäftigen sich auch schon mit ESG. Unter ESG versteht man die Berücksichtigung von Umwelt (Environmental), Sozialem (Social) und verantwortungsvoller Unternehmensführung (Governance). ESG kann schlicht als „Nachhaltigkeit 2.0“ bezeichnet werden, entsprechen die Kriterien im Kern doch den drei Säulen der Nachhaltigkeit und den SDGs: Ökonomie, Ökologie, soziale Verantwortung. „Banken beschäftigen sich heute schon vertieft damit und berücksichtigen ESG im Rating “, weiß Reisenzahn. Ebenfalls werde ESG auch in die neuen Förderrichtlinien aufgenommen. „Es kommen neue Kennzahlen bei Emissionen und Energiebedarf. Wer erfolgreich neue Wege gehen will, wird ESG berücksichtigen.“ ESG ist dabei genauer definiert als die drei Säulen der Nachhaltigkeit. Der Tourismus könnte dabei in mehreren Segmenten durchaus punkten: Etwa durch die hohe Zahl an Frauen in Führungspositionen. „ESG-Kriterien werden für die Branche zunehmend bedeutender als der Zinssatz“, empfiehlt Reisenzahn in diese Richtung die Augen offen zu halten.
Bericht von Fred Fettner