Gästeausgaben auf Talfahrt – Branche bekommt ein echtes Problem – TAI
Seit 2008 sind die preisbereinigten Tourismusumsätze pro Nächtigung um 16 Prozent erodiert -dies, obwohl der 4-/5-Sterne Bereich ein Fünftel mehr Übernachtungen generiert
Als Anfang ]uni der vom Wirtschaftsministerium erstellte „Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2014″ im Tourismusausschuss des Nationalrats behandelt wurde, stand diese Sitzung voll unter der damals noch im Verhandlungsstadium befindlichen, den Tourismus extrem belastenden, Steuerreform. Seither ist der Lagebericht – er wurde laut Protokoll „nach umfassender Debatte mft der Mehrheit von
SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS zur Kenntnis genommen“ – schubladisiert. Was ein großer Fehler ist, denn er enthält extrem brisantes Material, das noch nie in dieser Deutlichkeit kommuniziert wurde: seit 2006 kommt es demnach in Österreichs Tourismus zu einem dramatischen Rückgang der Gästeausgaben pro Nächligung. Diese sind von 184,32 Euro um 15,9 Prozent auf 155 Euro zurückgefallen. Leidtragende ist allen voran die Hotellerie.
Die Tatsache der rückläufigen Gästeausgaben „lässt sich zum Teil auf eine generelle qualitative Verminderung der touristischen Nachfrage zurückführen“, es werden „weniger anspruchsvolle Angebote“ gekauft, heißt es in dem vom langjährigen Tourismusexperten des WIFO, Egon Smeral, erstellten Kapitel „Entwicklung und Struktur der österreichischen Tourismus- und Freizeitwirtschaft im Jahr 2014″ (Smeral ist seit Februar in Pension und seither „Full Professor“ an der MODUL Privatuniversität in Wien). Als Ursache für diesen unerfreulichen Trend führt Smeral das „vermehrte Ausmaß massentouristischer Züge“ sowie immer mehr „Verbilligungstendenzen“ an – dies, obwohl die Anzahl der Nächtigungen im 4-/5-Sterne Bereich in den zurückliegenden acht Jahren um über 20 Prozent gestiegen ist. Smeral macht dafür „kostengünstigere Packages sowie den Preis-/Qualitätsdruck durch die Transparenz des Internet“ verantwortlich.
Damit nicht genug, blieb – wie Smeral betont -„seit dem Jahr 2000 die Tourismusnachfrage deutlich hinter der gesamtwirtschaftlichen Dynamik zurück.“ So wuchs das österreichische reale BIP (Brutto Inlandsprodukt) im Zeitraum 2000/2014 um durchschnittlich 1,4 Prozent pro Jahr, wogegen die preisbereinigten Tourismusumsätze stagnierten. Dies erzeuge „ein längeres Nachhinken“ des Tourismussektors hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie „einen wachsenden Kosten- und Gewinndruck, der sich negativ auf die Investitionskraft der Betriebe auswirkt.“ Die weiteren Konsequenzen daraus sind „fehlende Investitionen“ sowie ein „Erodieren der Wettbewerbsfähigkeit“, die in weiteren Marktanteilsverlusten münden.
All das werde von der Statistik durch den ausschließlichen Fokus auf quantitative Größen, wie Ankünfte oder Nächtigungen, verdeckt. Faktoren wie Qualität, Preise oder Nebenausgaben bleiben hingegen unberücksichtigt.
Smeral: „Dieses Vorgehen führt zu einer Unterschätzung des Tourismus in seiner ökonomischen Bedeutung.“
Für Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer und Gesellschafter der PRODINGER | GFB Tourismusberatung, steht als Quintessenz des Tourismusberichtes 2014 fest:
„Der Tourismus hat in ein Produkt investiert, für welches der Markt nicht mehr bereit ist, das gleiche wie vor einigen Jahren zu zahlen.“
Und: „Da die Gäste also nicht mehr bereit sind, für die gleiche oder eine sogar noch bessere Leistung gleichviel auszugeben, wie noch vor acht Jahren, bekommt die Branche ein echtes Problem.“Durch die Maßnahmen der Steuerreform, die Anfang Juli – einen Monat nach der erwähnt „umfassenden Debatte“ im Tou- rismusausschuss vom Nationalrat – beschlossen wurde, verschärft sich die Situation weiter.Abrufbar ist der Bericht unter www.bmwfw.gv.at im Bereich Tourismus unter „Tourismusstudien und Publikationen“.