Mitarbeiter kosten zu viel Ausgebildete – Tiroler Tagsezeitung

Mitarbeiter im Tourismus werden zur Mangelware und innovative Konzepte damit immer dringender: Die Tiroler Ferienhotellerie wird mit Herzlichkeitpunkten, im Städtetourismus schreitet die Automatisierung schnell voran.

„Die Mitarbeitersituation im Tourismus wird sich weiter zuspitzen“, ist Tourismusberater Jakob Edinger überzeugt. Die Gründe dafür sind vielfältig: „Es kommen die geburtenschwachen Jahrgänge, alle streben nach mehr
Bildung und das Image ist schlechter als die Wirklichkeit.“ Das alles werde dazu führen, dass gut ausgebildete Mitarbeiter mehr und mehr zur Mangelware werden. „Ein Blick auf die Schweiz zeigt, was uns drohen könnte. Dort arbeitet im Tourismus fast kein Einheimischer mehr“, so Edinger.

Florian Werner (Hotelier):„Es heißt, das ist ein Knochenjob. Aber was ist heute bitte kein Knochenjob? Ich kann nur sagen, jeder Gastronom hat absolutes Interesse, die Mitarbeiter gut zu behandeln und zu bezahlen, sonst bekommt er niemanden mehr. Unser Hauptproblem ist Überreglementierung. Die Politiker müssen uns arbeiten lassen.“

Für den Tiroler ÖGB-Vorsitzenden Otto Leist liegen die Gründe, warum die Tourismusbranche nur noch schwer einheimische Mitarbeiter bekommt, auf der Hand: „Die Arbeitszeiten sind nicht familienfreundlich und die Tätigkeit ist schlecht bezahlt. Doch statt die Rahmenbedingungen zu verbessern, jammern die Gastronomen nur.“ Der Qualitätstourismus in Tirol sei durch die fehlenden Arbeitskräfte ernsthaft in Gefahr, warnt Leist. Schon bei der Ausbildung zeige sich, dass die Arbeit im Tourismus wenig attraktiv sei. „Es gibt Jahrgänge bei den Tourismusschulen, da bleiben nicht einmal 10 Prozent in diesem Bereich“, erklärt der Gewerkschafter. Leider würde man aber vor allem für das Ausland ausbilden. In Tirol sieht Leist vor allem das Problem, „dass eine Fachkraft nur zwischen 40 und 50 Euro brutto pro Monat mehr verdient als eine angelernte Kraft“.Der Tourismus habe den Handel mittlerweile als Schlusslicht bei der Bezahlung abgelöst.

Hubert J. Silier (MCI):„Das bestimmende Thema sind nicht die Löhne, die sind real höher als in der Statistik. Ein großes Thema sind die Arbeitszeiten. Allerdings haben auch Pflegende Nacht- und Sonntagsarbeit. Im Tourismus kommt hinzu, dass es zur Saison extrem stressig ist und viele Mitarbeiter nicht ganzjährig beschäftigt werden können.“

Franz Hörl, Touristiker und Wirtschaftsbund-Obmann, sieht keinen Grund zur Panik: Natürlich seien die Arbeitszeiten im Tourismus ein Thema, aber es brauche eben auch Leute, die arbeiten, wenn andere feiern. Der Vorteil sei dafür oft, dass man die Arbeitsstelle vor der Haustür hat. Gegen den Vorwurf der Niedriglohn- Branche wehrt sich Hörl: „Es ist nicht richtig, dass man im Tourismus wenig verdient. Der Kollektivvertrag ist das unterste Limit. Wer gute Mitarbeiter will, der zahlt immer weit über Kollektiv.“ Arbeitskräfte würden im Tourismus deshalb fehlen, „weil in Tirol in den vergangenen 15 Jahren der Bedarf an Arbeitskräften um 40 Prozent gestiegen ist“.

Peter Trost, zuständig für den Tourismus in der Tiroler Wirtschaftskammer, sieht das naturgemäß ähnlich: „Aufgrund des großen Beschäftigungswachstums ist der Topf an Arbeitskräften einfach leer. Dazu kommt, dass Jobs in allen Dienstleistungsbereichen nicht wahnsinnig gefragt sind, was vor allem mit den Arbeitszeiten zu tun hat.“ Das Dilemma ist laut Trost, dass „die Betriebe die Leistung ihrer Mitarbeiter gern höher entlohnen würden, aber die Dienstleistung den Gästen dann halt auch mehr wert sein muss, weil das sonst nicht bezahlbar ist. Die Personalkosten machen ja schon 40 bis 50 Prozent der Gesamtkosten aus.“ Auch wenn Trost innovative Konzepte wie Kooperationsmodelle – „z. B. teilen sich Betriebe eine Wäscherei“ – für wichtig hält, „müssten zuerst die Rahmenbedingungen wie flexiblere Arbeitszeiten geschaffen werden“.“

„Die Abgabenquoten für Betriebe sind viel zu hoch.“ Reisenzahn, Tourismusberater

Die Zukunft des Tourismus liegt u.a. in einer zunehmenden Automatisierung – Computer und Roboter sind billiger ais menschliche Dienstieistung.

In dieselbe Kerbe schlägt Thomas Reisenzahn von Tourismusberatung Prodinger: „Die Abgabenquoten sind zu hoch, momentan werden Betriebe mit schwachen Renditen bestraft. Sie würden höhere Löhne zahlen, aber nur,
wenn ihnen mehr bleibt. Mitarbeiter kosten zu viel und verdienen zu wenig.“ Unabhängig davon müsse man erwähnen, dass der Akademisierungsgrad auch in der Tourismusbranche Einzug gehalten hat: „Wenn Tourismus, dann wählen viele eine höhere Ausbildung“, sagt Reisenzahn und spielt damit u. a. auf die jüngste Diskussion rund um schwindende Schülerzahlen im Fachzweig der Villa Blanka an. Für einen Einsatz von Asylberechtigten im Tourismus spricht sich Hörl aus: „Ich bin auch dafür, Asylwerber massiv für Mangelberufe auszubilden und zu werben. Allerdings muss das nach dem Kollektivvertrag erfolgen. Flüchtlinge dürfen keine Billigarbeitskräfte sein.“

Für Edinger ist klar, wohin die Reise gehen muss, wenn Tirol im Tourismus auch in Zukunft mitspielen will: „In der Ferienhotellerie wird die klassische Dienstleistung weiter von Wichtigkeit sein. Familienbetriebe, die Herzlichkeit ausstrahlen und in denen der Gast persönlich begrüßt wird, werden im Wettbewerb punkten.“ Auf der anderen Seite müsse sich der Geschäfts- und Städtetourismus darauf einstellen, „dass er personell erschlanken muss. Dort schreitet die Automatisierung voran. In Städtehotels mit 300 Betten, wo früher 80 Mitarbeiter beschäftigt waren, wird man mit 20 Mitarbeitern auskommen“, so Edinger. Budgethotels gehen bereits heute erfolgreich diesen Weg: „Man bucht im Internet, checkt selbst mit dem Computer vor Ort ein und überzieht sogar selbst das Bett. Auf das alles wird sich die jüngere Generation natürlich schneller einstellen.“

Tag der Tourismuswirtschaft auf der FAFGA am 20. September, 13.30 Uhr, Messe Innsbruck: „Tourismus 2030. Zukunft Selbstbedienung? Sind Outsourcing von Reservierung, Zimmerreinigung und Wäscherei Zukunftskonzepte? Ist Top-Dienstleistung nur mehr in den exklusivsten Betrieben zu finden?“

Gastro & Arbeit

Prekäre Verhältnisse Laut Arbeitsklimaindex kommen zwei Drittel der Tourismus-Beschäftigten sehr schlecht bis gar nicht mit ihrem Einkommen aus. Hintergrund dafür ist auch die steigende Anzahl an prekären Arbeitsverhältnissen im Tourismus. Die geringfügige Beschäftigung ist österreichweit stark gestiegen, um gut 4000 oder 11,4 Prozent 2015 im Vergleich zum Vorjahr

Mehr Beschäftigte: Allein im Rekordsommer 2016 stieg die Beschäftigung wieder um drei Prozent. In Tirol hat ein Gastronomiebetrieb durchschnittlich sechs Mitarbeiter, ein Hotelleriebetrieb neun.

Lehrlinge Aktuell sind beim AMS Tirol von der Branche Beherbergung und Gastronomie 503 Lehrstellen zur sofortigen Besetzung gemeldet. Demgegenüber stehen 46 Lehrstellensuchende.

Artikel auf Tiroler Tageszeitung am Sonntag

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