Rechne fest mit Revision – HGV Praxis

HGV PRAXIS: Herr Dilly, Sie haben die österreichische Regierung in die Knie gezwungen. Macht Sie das Stolz?

Horst Dilly: Stolz ist der falsche Begriff. Meinc Unterstützer und ich sahen in der Gesetzesänderung eine krasse Ungleichbehandlung des Dienstleistungssektors gegenüber der Industrie. Und wie viele nun wissen, hat das der EuGH genauso gesehen.

Wer waren Ihre Unterstützer?

Dilly: Federführend agierte das Beratungsunternehmen Prodinger & Partner, Unterstützung erhielten wir auch von der ÖHV. Ihr Präzedenzfall hat nun dazugeführt, dass der gesetzliche Ausschluss des Dienstleistungssektors aus der Energieabgabenvergütung rückwirkend bis 2011 zu Fall gebracht wurde.

Was heißt das im Klartext?

Dilly: Alleine für meinen Betrieb, wir sind ein Wellnesshotel mit rund 140 Betten, vier Bädern und weitläufiger Wellnessanlage, macht die vorenthaltene Vergütung 20.000 Euro pro Jahr aus. Das ist viel Geld. Das muss einem Unternehmer erst einmal überbleiben. Rückwirkend bis 2011 sind das also 100.000 Euro, laut Berechnungen von Prodinger und ÖHV macht die Gesamtsumme für die Hotellerie 100 Millionen Euro aus.

Wie ist der aktuelle Stand der Dinge ?

Dilly: Das Urteil erging Ende Juli. Jetzt gibt es natürlich Einspruchsfristen. Aber ich rechne fest mit einer Revision des Gesetzgebers. Und mit einer entsprechenden Verzögerungstaktik könnte das Thema bis zu den nächsten Wahlen ergebnislos „gestreckt“ werden, und die Hoteliers schauen so lange durch die Finger.

„Aber ich rechne fest mit einer Revision des Gesetzgebers,“ Horst Dilly, Dilly’s Wellnesshotel

Mit welchem Szenario ist aus Ihrer Sicht zurechnen?

Dilly: Die Meinungen von Rechtsexperten zeichnen ein klares Bild. Entweder der Gesetzgeber erstattet die vorenthaltenen Vergütungen zurück. Das würde bedeuten, dass die Hotellerie 100 Millionen Euro zurückbekommt. Im Übrigen zählen auch die Seilbahnen und Skilifte dazu. Da geht es noch einmal um 150 Millionen. Zahlt der Staat nicht zurück, müsste er die Industrie laut Urteil belasten. Da geht es aber um eine Milliarde Euro.

Die Seilbahnwirtschaft profitiert demnach von Ihrem Prozess?

Dilly: Korrekt.

Warum haben die sich nicht an dem Verfahren beteiligt?

Dilly: Das müssen Sie die fragen.

Gab es Feedback aus der Hotetlerie?

Dilly: Nach dem für unserfolgreichen Urteil ja. Ich bekam einige Anrufe mit Gratulationen und viele Mails desselben Inhalts.

Wäre das nicht auch ein Thema für die gesetzliche Interessenvertretung?

Dilly: Dank der Grausamkeiten der Steuerreform zählt unsere Branche bekanntlich zu den absoluten Verlieren in der Wirtschaft. Ich bin zutiefst von den Interessenvertretern enttäuscht. Diese begnügen sich derzeit nur mit
Ratschlägen und kämpfen nicht für die Sache und die Branche. Noch wäre Zeit dafür.

Herr Dilly, vielen Dank für das Gespräch

 

Das Ungetüm „Energieabgabenvergütung“

Das Energieabgabenvergütungsgeseti sieht die Erstattung eines Teiles der Energieabgabe vor. Seit einer Gesetzesänderung 2011 sind allerdings Dienstleistungsbetriebe von dieser Energieabgabenvergütung ausgeschlossen. Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat diese Ausnahme zu Fall gebracht. Das diesem Entscheid zugrunde liegende Verfahren hat der Windischgarstener Hotelier Horst Dilly (gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Prodinger & Partner) angestrengt.

Was heißt das nun für Dienstleistungsbetriebe wie Hoteliers und Gastronomen? Für die Europäische Union (EU) ist die österreichische Energieabgabenvergütung eine so genannte staatliche Beihilfe, Nach dem Unionsrecht dürfen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) staatliche Beihilfen grundsätzlich nur mit einer ausdrücklichen Genehmigung der Europäischen Kommission einführen oder umgestalten. Solange die Genehmigung nicht vorliegt, darf der Mitgliedstaat eine solche Maßnahme nicht durchführen. Davon erlaubt eine bestimmte EU-Verordnung Ausnahmen, u. a. für Umweltschutzbeihilfen.

Laut dem Urteil des EuGH verstößt die Gesetzesänderung 2011 zum österreichischen Energieabgabenvergütungsgesetz schon alleine deswegen gegen Unionsrecht, da Österreich einerseits keine Genehmigung der Kommission einholte, andererseits aber in der Gesetzesänderung nicht auf die Ausnahmen gewährende EU-Verordnung verwies. Und ohne einen solchen Verweis gilt die Ausnahme nicht. Erst 2015 holte Österreich aus anderem Anlass die Genehmigung der EU-Kommission ein. Die Folge daraus ist, dass das EU-Recht die Durchführung der Gesetzesänderung 2011 zumindest bis zur nachträglichen Genehmigung 2015 verbietet.

Da Unionsrecht dem nationalen Recht vorgeht, hätten die nationalen Behörden die Gesetzesänderung 2011 zur Energieabgabenvergütung zumindest bis 2015 überhaupt nicht anwenden dürfen. Das gilt nicht nur für den Ausschluss der Dienstleistungsbetriebe, sondern grundsätzlich auch für die anderen Einschränkungen, die in dieser Novelle vorgenommen wurden. Die Energieabgabenvergütung ist bis spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, für das die Energieabgabe geltend gemacht wird, beim Finanzamt zu beantragen. Das heißt, für dasjahr 2011 – das erste Jahr, in dem Dienstleistungsbetriebe von der Vergütung ausgeschlossen waren -muss bis Ende 2016 der Antrag gestellt werden (wenn das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht). Das sollten Dienstleistungsbetriebe bedenken, die bisher für 2011 noch keinen Antrag eingebracht haben. Liegt bereits ein rechtskräftiger ablehnender Bescheid vor, wäre die Möglichkeit einer Wiederaufnahme zu prüfen. Hier ist jedenfalls eine individuelle Beratung erforderlich. Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat das EuGH-Urteil bereits in seine Rechtsprechung aufgenommen und einem Dienstleistungsbetrieb für dasjahr 2011 die Energieabgabenvergütung zuerkannt. Ob auch die Finanz die Ergebnisse des Urteils ohne weiteres in seine Rechtsansichten übernimmt oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erhebt, bleibt abzuwarten.

 

Artikel auf HGV Praxis

FOLGENDE ARTIKEL KÖNNTEN SIE AUCH
INTERESSIEREN:

Diese Webseite verwendet Cookies.
Damit Sie unsere Website optimal nutzen können, speichern wir Informationen über Ihren Besuch in sogenannten Cookies. Durch die Nutzung dieser Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.