Dynamic Pricing – Fluch oder Segen?
„Dynamic Pricing“: Expertenrunde in Wien
Die zunehmende Beliebtheit dynamischer Preise in der Hotellerie hat Licht- und Schattenseiten. Die laufende Anpassung von Hotelraten an Angebot und Nachfrage freut zwar Schnäppchenjäger, führt aber auch zu einem veränderten Buchungsverhalten und dem Verlust von Vertrauen und Loyalität. Der Wegfall der Preisparität für Buchungsportale werde keinen großen Einfluss haben. Darüber war sich eine Expertenrunde des Travel Industry Club Austria einig, die sich am Montagabend im Wiener Hotel Le Méridien traf.
Flexible Preise machen mehr Arbeit
Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer der Prodinger Tourismusberatung, forderte die Hotellerie auf, die Besonderheiten ihres Angebots in den Fokus zu rücken, auch in anderen Branchen ginge der Trend bereits wieder weg vom „age of cheap“.
Nur Buchungsportale profitieren von mehr Transparenz
Thomas Reisenzahn zeigte anhand von Statistiken, dass der Preis immer mehr an Bedeutung gewinnt. Nach der Hotelbewertung sei der Zimmerpreis bereits das zweitwichtigste Kaufargument, gegenüber Platz 6 im Jahre 2000. Von den großen elektronischen Buchungssystemen und Portalen hätten vor allem diese selbst profitiert: Seit 2010 seien in Wien die „Online Travel Agency“-Buchungen (OTA) um 33,3 Prozent und die OTA-Provisionen um 52,1 Prozent gestiegen, während die Zahl der gewerblichen Nächtigungen nur um 5,5 Prozent zugenommen habe.
Eine weitere Folge dieser Entwicklung: Während Österreichs Bettenkapazitäten in den vergangenen zehn Jahren um 24,3 Prozent gestiegen ist, stagnieren die realen Umsätze im Gesamtreiseverkehr auf dem Niveau von 2006. Die Ausgaben pro Übernachtung sind im selben Zeitraum sogar gesunken: von 184,4 auf 159 Euro. „Heutzutage kennt jeder Gast den Preis eines Hotels, aber nicht mehr den Wert“, analysierte Reisenzahn die Preispsychologie. Die Umsatzentwicklung pro Zimmer sei generell im Sinken begriffen. Dabei sei gerade der Preis der wichtigste aller möglichen Ertragshebel neben Auslastung, Fix- und variablen Kosten.
Neue Spielregeln als Ausweg
Als Ausweg empfahl Reisenzahn eine Nachdenkpause und neue Spielregeln für Hotelneubauten, eine Rückkehr zur zehnprozentigen Umsatzsteuer auf Beherbergungsleistungen, eine bessere Auszeichnung der Preiszusammensetzung (zum Beispiel separater Ausweis der Ortstaxe) und nicht zuletzt eine bessere Differenzierung und Positionierung, um Mehrwert zu schaffen. Gute Bewertungen seien jedenfalls keine Differenzierung mehr, sondern mittlerweile Standard. Auch der Fall der Ratenparität wird keine Auswirkungen auf die Preisgestaltung haben, wie das Beispiel Frankreich zeigt. Denn die meisten Hotels halten sich trotzdem daran.
Booking.com am längeren Ast
Wer im Vertrieb auf die großen Buchungsportale wie booking.com, Trivago oder Expedia setzt, liefert sich preislich aus, warnte schließlich Marco Riederer, Experte der Prodinger Tourismusberatung im Bereich E-Commerce und Revenue Management.
Gäste seien es gewohnt, bei booking.com den besten Preis zu erhalten, die Bestpreisgarantie bleibe daher wohl bestehen. Und wer sich nicht daran hält, könnte im Ranking abgestraft werden. Die großen Portale bauen ihren Vorsprung aus, etwa mit eigenen Usability Labs, in denen das Userverhalten analysiert und mit Algorithmen bedient wird – die Werbeeffekte einer Hotelpräsenz sind dann passé.
Riederer glaubt fest daran, dass die Online-Reiseportale und Metasearcher weiter zulegen. Die mit dem Fall der Ratenparität gewonnene Preishoheit könne rasch in ein Preischaos münden, warnt er und empfiehlt Hoteliers daher, genau zu überlegen, mit welchen Partnern sie zusammenarbeiten wollen, um den möglichen Kontingent-Weiterverkauf zu unterbinden. Dynamische Preise sollten nur dort Anwendung finden, wo man sie dem Gast auch erklären kann und wo sie als Steuerungselement, zum Beispiel saisonal, auch nachvollziehbar sind. In jedem Fall solle man seine eigenen Vertriebskanäle (Booking Engines) prüfen und den Gast direkt und ohne Umwege über Direktbuchervorteile und Earlybird-Angebote informieren.