Die letzte Meile

Nach Österreich reisen 76 Prozent der Gäste mit dem Auto und nur 7 Prozent mit der Bahn. Im Bahnland Schweiz nehmen immerhin 21 Prozent den Zug. Wie kann man den Prozentsatz erhöhen? Knackpunkt ist die letzte Meile, also der Weg vom Bahnhof zum Hotel.

Der Mobilitätsmasterplan 2030 des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie verfolgt die Strategie „Vermeiden, Verlagern, Verbessern“. Dazu gehört ganz zentral eine verbesserte Vernetzung verschiedener Verkehrsträger. Den Regionen hilft das Programm klimaaktiv mobil. Es dient zur Beratung, Förderung, Bewusstseinsbildung und zur Aus- und Weiterbildung. Es werden auch Modellregionen für nachhaltigen Verkehr ausgeschrieben. Seit 2022 können auch Destinationen und nicht nur Betriebe das österreichische Umweltzeichen bekommen – nachhaltige Verkehrslösungen sind ein essenzielles Element für eine Zertifikation.

Markus Mailer, Verkehrsexperte an der Uni Innsbruck, warnt: „29 Prozent aller Emissionen weltweit kommen aus dem Verkehr. In Österreich liegt der Anteil sogar noch höher. Und es sieht aus, als würde er sich bis 2050 noch verdoppeln. Selbst wenn wir von einem ambitionierten Szenario ausgehen, werden wir ihn höchstens stabil halten können. Damit können wir die ausgerufene Klimaneutraliätät 2040 vergessen.

Verkehrswende

Er (und nicht nur er) fordert eine „Verkehrswende“, die aus einer Mobilitätswende und einer Energiewende im Verkehr zusammengesetzt ist. „Wir müssen generell den Energieverbrauch um 50% senken und den Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen um 30% erhöhen. Im Verkehr müssen wir den Energieverbrauch sogar um 70% senken.“ Und da ist ein hoher Energiefresser der touristische An- und Abreiseverkehr.
Das bedeutet: Photovoltaik massiv ausbauen, auf jedes geeignete Dach eine Solaranlage. Und bei der An- und Abreise eine Verhaltensänderung durchsetzen. Um das zu erreichen braucht es 1. Motivation, 2. Fähigkeit, 3. Gelegenheit. Wenn alle drei Faktoren vorhanden und mehrfach vom Gast erfolgreich genutzt werden konnten, kommt es vielleicht zu einer dauerhaften Verhaltensänderung. Wenn aber das Buchen eines Schlafwagenabteils oder auch nur eines Liegeplatzes im Nightjet bereits Monate vor Reiseantritt scheitert, weil nicht verfügbar, bleibt das Projekt Verhaltensänderung schon in den Startlöchern stecken.

Die letzte Meile

Sollte die Anreise per Zug gelingen (und zu einem wettbewerbsfähigen Preis!) entscheidet die letzte Meile: Wie komme ich vom Bahnhof zum Hotel? Öffentlicher Verkehr ist in vielen ländlichen Destinationen wenn vorhanden dann nur spärlich getaktet und für Fremde undurchschaubar. Hier tut Information not: Am besten schon bei der Buchung sollte der Gast darüber informiert werden, wie er öffentlich bis zum Hotel anreisen kann. Ideal wären hier Apps, die wie in manchen Großstädten den ÖPNV abbilden und buchbar (! Das kann Google noch nicht) machen. Taxis gibt es oft auch nicht oder nur in beschränkter Zahl.
Eine Behelfskrücke sind bislang Shuttledienste, entweder vom betreffenden Hotel selbst durchgeführt, manchmal auch mit Kollegen gemeinsam oder gar von der ganzen Region organisiert wie in Kärnten. Das Problem: Das rechnet sich nie und bedeutet für den Hotelier einen großen Aufwand. In der Hauptsaison muss er dafür mindestens eine Person abstellen und auch dann kann es zu längeren Wartezeiten für den Gast kommen.

MyBuxi

In der Schweiz wird gerade ein Projekt ausprobiert beziehunsgweise ist schon in einigen Regionen im Einsatz: Mybuxi. Geschäftsführer Andreas Kronawitter berichtet: „In der Schweiz gibt es keine Mobilitätsstrategie der Regierung. Die Veränderung des Mobilitätsverhaltens dauert im Schnitt 15 Jahre, das ist die ungefähre Lebensdauer eines Autos. Es wurden in der Schweiz in den letzten Jahren 150 Milliarden Franken in die Verkehrswende investiert, erreicht hat man damit 1% mehr öffentlichen Verkehr. Corona hat bereits 3% davon wieder weggefressen. Die Vorteile des Autos sind scheinbar unschlagbar: Flexibilität und Erreichbarkeit. Das muss eine Alternative ebenfalls bieten. Darüberhinaus muss ein alternatives Angebot alle Zielgruppen ansprechen.“ Wobei er sofort einschränkt: „Männer ab 50 kann man vergessen, die werden ihre Liebe zum Auto nicht mehr aufgeben. Interessanter sind aber Frauen aller Altersgruppen und vor allem die Jungen.“
Deswegen hat Kronawitter gemeinsam mit anderen 2018 MyBuxy gegründet: einen Fahrtdienst auf Verlangen am Land. Das Versprechen: Innerhalb von zehn Minuten kommt ein elektrisch angetriebener Kleinbus vorgefahren, der dann während seiner Fahrt zum Ziel noch weitere Gäste aufnimmt. Gebucht wird über eine App. Die virtuelle Haltestelle kann überall in einem bestimmten Gebiet sein, Umwege wegen anderer Fahrgäste müssen einkalkuliert werden, eine Anknüpfung an den öffentlichen Verkehr ist möglich.
MyBuxi wird bislang in vier Regionen angeboten: Herzogenbuchsee, Emmental, Gotthard und Belp-Gantrisch. Eine Fahrt mit MyBuxi in der jeweiligen Region kostet nur wenige Franken pro Person – zum Fixpreis. Im Abo sogar kmmt es sogar noch günstiger. Möglich machen das öffentliche und private Partner sowie die freiwilligen Fahrerinnen und Fahrer. Die Fahrzeuge werden zum Beispiel von einem lokalen Energieversorger gesponsert. Betriebszeiten sind von frühmorgens bis spätabends.

Zu den Herausforderungen zählten: das Errichten eines Ladenetzes für die E-Autos auf dem Land. Besser geeignet wären Wasserstoffbrennzellenautos, die in wenigen Minuten betankt werden könnten. Aber die gibt es nicht und auch keine Wasserstofftankstellen. Das Aufstellen einer Finanzierung: Das gelang mit Hilfe von staatlichen Förderungen und privater Sponsoren. Gibt es überhaupt ausreichend Nachfrage? Die Antwort fiel nach einem zehnmonatigen Testbetrieb positiv aus. Man musste 2020 sogar ein zweites Auto in der Region Herzogenbuchsee anschaffen. Umliegende Gemeinden wollen in das Angebot einbezogen werden.
Vorteile: Das Angebot kostet einen Bruchteil dessen, was ein örtlicher Bus kosten würde. Und ist bedeutend flexibler. Gleichzeitig stützt MyBuxi auch den vorhanden ÖPNV: Man nimmt morgens den Bus und fährt abends mit MyBuxi wieder nach Hause.

MaaS (Mobility as a service)

Damit erfüllt MyBuxi in geradezu modellhafter Weise das, was Markus Mailer von der Verkehrswende fordert: Elektrifizierung, Digitalisierung, Sharing und Automatisierung. Gut, Letzteres noch nicht, aber das wird kommen: fahrerlose Kleinbusse für den Ortsverkehr. Solche Angebote nennt man in der Wissenschaft Mobility as a Service (MaaS). Und die kann ganz hervorrragend im Tourismus eingesetzt werden.
Die großen Trends sprechen dafür, dass solche Angebote immer wichtiger und auch genutzt werden: Die Zahl der Autobesitzer bzw. der Führerscheinbesitzer in den Ballungsräumen geht seit Jahren zurück. Die Menschen können immer besser mit digitalen Hilfsmitteln wie einer App umgehen – sie setzen so ein Angebot sogar als selbstverständlich voraus.
Die Zukunft gehört allen integrierten, innovativen Mobilitätslösungen wie Easytravel im Ötztal: ein Gepäcktransport. Der ist Teil des ULTIMOB-Projektes im Ötztal. Im Rahmen dieses laufenden Projektes finden in Form von Pilottests und Demonstrationen Anwendungen, Umsetzungsvorbereitungen und Skalierungen innovativer Personenmobilitätslösungen statt. Weitere Pilotregionen sind Graz Umgebung, der Großraum Salzburg und das Tullnerfeld. Im Ötztal geht es speziell um Angebote, die auch für Touristen interessant sind: die Erprobung von Ride-Sharing, multimodale Knoten an einer Seilbahntalstation sowie Gepäckservices bzw. -logistik.
Das Problem bei all diesen Angeboten: Man muss wissen, dass es das überhaupt gibt. Vor allem Ortsfremde müssen darüber informiert werden. Und es wäre wünschenswert, wenn für solche Projekte destinationsübergreifend zusammengearbeitet werden würde. Was aber selten der Fall ist, weil sich jede Region selbst profilieren möchte. Vorbild ist hier Südtirol, da gibt es so etwas regionenübergreifend.

E-Mobility

Gäbe es ein Carsharing am Land, würden das 25 Prozent der dortigen Bevölkerung nutzen. „Ein geteiltes Auto kann vier Autos ersetzen“, sagt Erich Gstettner von Hyundai Flex Mobility, der sich mit MaaS, Elektromobilität und Carsharing beschäftigt. Man könne jedes Auto z.B. im Fuhrpark eines Hotels zu einem Shareauto umbauen. Man braucht dafür nur eine Sharingbox im Auto statt Schlüssel, ein Webportal, eine App, eine Hotline und ein Rechnungsmanagement. Das alles liefert Hyundai „schlüsselfertig“.
Gstettner berichet von seinem Katschberg-Projekt, das heuer im Jänner startete. Sechs Ioniq 5 AWD verteilt auf vier Hotelstandorte sind dort im Einsatz, als Poolfahrzeuge für die Mitarbeiter und als Angebot an die Gäste. Die werden seitdem intensiv benutzt, beruflich wie privat. Zum Beispiel für Shuttlefahrten bis nach München. Private und berufliche Fahrten können getrennt erfasst werden. Theoretisch sollten diese Autos auch Touristen nutzen – allein: Sie sind einfach nicht verfügbar, weil bei den Angestellten so beliebt. Bis November habe man bereits 100.000 km damit zurückgelegt, was einer Co2-Einsparung von 15 Tonnen entspricht.
Lehren aus dem Projekt: Mitarbeiterpool und Gästeangebot muss man trennen. Man braucht mehr Infomaterial an den POS. Man braucht ein Lastmanagement im Buchungssystem, damit nicht alle Autos gleichzeitg aufgeladen werden (können). Und man benötigt eine Integration in das Buchungssystem der Hotels. „Das Projekt ist definitiv ausbaufähig, man kann damit als Hotelier auch Geld verdienen“, sagt Gstettner. „Der Strom reicht mit einem Lastmanagment, das regelt, wer wann wieviel Strom ‚tanken‘ kann und darf, auch für 30 Autos. Und man kann schon jetzt Steuervorteile lukrieren: 200 Euro im Jahr für Privatfahrten.

Lastmanagement

Thomas Geisler von Energie Tirol weiß im Detail, wie das Laden von E-Autos in der Hotelgarage funktioniert oder funktionieren kann. Am besten man erzeugt den dafür benötigten Strom über eine Photovoltaikanlage selbst. Dann muss man bedenken, dass man nicht endlos viele Ladestationen errichten kann. Man muss dafür die Netznutzungsrechte haben – also beim Energieversorger bzw. Netzbetreiber anfragen. Eventuell muss man dann sein eigenes Netz aufrüsten. 55 kW, also eine Schnellladestelle, können bei den vorhandenen Leitungen und Sicherungen schon Probleme bereiten. Und mehrere schnellladende Autos gleichzeitig ganz bestimmt.
Aber das muss nicht sein: Erstens sind nicht alle Akkus immer komplett leer, müssen also auch nicht komplett geladen werden, was die Ladezeit verkürzt. Zweitens reichen 11kW-Ladestationen oft auch aus, um über Nacht zu laden, und die können man parallel betreiben. Man könnte öffentliche Parkplätze an Seilbahnen zum Laden nutzen, nachts könnte man dort sogar mit überschüssigen Gratisstrom (den im Idealfall die Seilbahnen selbst erzeugen) laden.
Wichtig sei zu beachten, dass man als Betreiber von Ladestationen nicht so viel Leistung wie möglich brauche, sondern nur so viel wie nötig und sinnvoll. Man kann selbst als Chargepoint Operator (CPO) auftreten und mit dem getankten Strom Geld verdienen wie früher bei Telefongesprächen am Zimmer. Oder man vergibt das komplette Management an einen E-Mobility Service Provider (EMP), über den man abrechnet.

Text: Thomas Askan Vierich

Ihre Kontaktperson:

Thomas Reisenzahn

t.reisenzahn@prodinger.at

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